Immer wieder kommt die Frage während Workshops und in Kunden-Projekten zu Marketing-Kanälen auf: Darf ich aus eigener Initiative einen potenziellen neuen Kunden anrufen oder ihm/ihr Emails schicken? Unter welchen Umständen ist es erlaubt und falls nicht, was für Alternativen habe ich?
Eines kurz vorweg: Der beste Ansprechpartner zu diesem Thema ist die Rechtspolitische Abteilung der WKO. Ich durfte am 14.11.2014 mit vielen anderen mit Herrn Dr. Christian Handig von der Rechtspolitischen Abteilung der Wiener Wirtschaftskammer zu diesem Thema diskutieren. Dieser Post ist kein Ersatz für eine rechtliche Beratung und hat auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Gültigkeit über die Jahre.
Meine Erkenntnisse
Möchten Sie Ihre Kundengewinnungsmaßnahmen verstärken? Lernen Sie mehr dazu in den Konsultori Workshops.
Nr. 1:
Ohne vorheriger Einwilligung geht jede absatzfördernde Maßnahme per Post und persönlich.
Was heißt das?
Sie dürfen persönlich vorbeischauen oder Briefe schicken. Sie können die Adressdaten dazu selbst erforschen oder zukaufen, alles möglich. Allerdings dürfen Sie nicht nachtelefonieren. Der potenzielle Kunde muss zuerst reagieren.
Nr. 2:
Kontaktaufnahme mit einem potenziellen neuen Kunden zur Absatzförderung via Email, SMS, Messenger Apps oder Anruf ist nur mit vorheriger Einwilligung möglich.
Was heißt das?
Nur eine Visitenkarte bekommen zu haben, reicht nicht aus, um eine Einwilligung zur Kontaktaufnahme erhalten zu haben. Es muss wirklich eine Einwilligung sein.
Nr. 3:
Absatzfördernde Maßnahmen sind viele Dinge.
Was heißt das?
Werbung ist „jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, zu fördern” (Art 2 lit a IrrführungsRL)
Nr. 4: Nr. 2 gilt sowohl für Privatpersonen als auch für Unternehmen, d.h. für den B2C, als auch für den B2B-Bereich.
Nr. 5:
Die vorherige Zustimmung für Emails entfällt unter bestimmten Umständen.
Die vorherige Zustimmung entfällt, wenn
- Kontaktinformation erhalten im Zuge eines Kaufs UND
- Werbung erfolgt für eigene ähnliche Produkte UND
- Empfänger hatte die Möglichkeit kostenfrei und problemlos abzulehnen UND
- Empfänger ist nicht in der ECG Liste
Was heißt das?
Die ECG Liste kann man bei RTR abrufen und einen Adress-Abgleich vornehmen. Auf der Liste tragen sich Personen ein, die keine Werbung empfangen möchten.
Nr. 6:
Eine Agentur zwischenzuschalten hilft auch nicht.
Was heißt das?
Wie man in der Diskussion gut mitbekommen hat, sind viele selbst schon von zwischengeschalteten Agenturen kontaktiert worden. Auch das ist nicht erlaubt und der Auftraggeber haftet mit.
Nr. 7:
Die Verwaltungsstrafen und Klagen im Zivilrecht können teuer werden.
Lt. Dr. Handig gibt es 400-500 EUR Verwaltungsstrafe beim ersten Mal. Die Strafen können aber auf bis zu 58,000 EUR ansteigen.
Nr. 8:
Außerhalb Österreichs ist es teilweise anders.
Was heißt das?
Je nach Land, in dem ein potenzieller Kunde sitzt, gibt es unterschiedliche Regelungen. D.h. bei EU-Ausland oder nicht-EU-Ländern gibt es eigene Regeln.
Nr. 9:
Auf Linkedin und Xing geht auch nicht alles.
Was heißt das?
Wenn jemand im Profil etwas über „suche …. Kontakte zu Themen ….“ stehen hat, dann ist es eher möglich, diese Person zu kontaktieren. Das gleiche gilt bei Gruppenmitgliedern (jedoch Graubereich). Ist das alles jedoch nicht der Fall, ist eine Zustimmung zur Kontaktaufnahme eigentlich nicht gegeben.
Was für Alternativen gibt es?
Es bleiben noch einige Alternativen für Neukunden-Gewinnungsmaßnahmen, die nicht unter die Erkenntnisse 1-9 fallen, zB Unternehmen adressieren, die auf Ihrer Homepage schreiben, dass sie an Kooperationen interessiert sind; Veranstaltungen und Newsletter-Anmeldungen, Content-Marketing, Newsletter-Kooperationen mit Kooperationspartnern, etc…
Eigentlich sind die Inbound-Maßnahmen (im Sinne des „Interesses auf sich ziehen und die potenziellen Kunden kommen lassen“) viel angenehmer für alle Beteiligten und ein Beweis, dass Sie im Markt gehört werden.
Über Dr. Christian Handig
Dr. Christian Handig ist als Mitarbeiter der Rechtsabteilung der Wirtschaftskammer Wien primär in der Unternehmensberatung und Gesetzesbegutachtung tätig. Er ist unter anderem Beirat des Kompetenzzentrums für Geistiges Eigentum, Redaktionsmitglied der juristischen Zeitschrift ip©ompetence, Vorstandsmitglied der Österreichischen Vereinigung für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht sowie Fachautor und Vortragender (unter anderem auf der FH Wien) im Bereich Wirtschaftsrecht (insb. Gewerberecht, gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht).
Mit der freundlichen Genehmigung von Dr. Christian Handig.
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